Sonntag, Oktober 20, 2013

Wieder mal gegottschefft

Ein ganz Großer ist gegangen. Dimiter Gotscheff war, ähnlich wie Heiner Müller, dessen Texte er so oft inszeniert hat, ein absoluter Schwarzmaler und ein Vertreter des langsamen Theaters.
Und ähnlich, wie im Theater heute noch gerne gemüllert wird, wurde und wird auch gerne und viel gegottschefft. Zumindest bei mir ist es so. Dieser Mann war einfach ein Vorbild, auch für Leute wie mich, die ihn nie persönlich getroffen oder gekannt haben.
Ich habe in den Neunzigern mal im Fernsehen ein Gotscheffporträt gesehen. Da hat der, eine nach der anderen qualmend, von der Wichtigkeit des beobachtend durch die Straßen-Laufens geredet. Noch heute, wenn ich rausgehe, denke ich regelmäßig an diese frühe Inspiration.
Oder der Adlerblick. Genau das gleiche, seltene Auge wie bei Sam Beckett. Natürlich will man gern genauso scharf sehen, genauso wirklich wahrnehmen, genauso wirken.
Auch die langen Haare. Dimiter Gotscheff hat viel zu meinem Selbstbewusstsein beigetragen, als Künstler offene, lange Haare tragen zu dürfen und trotzdem sehr intellektuell auszusehen.
Die Entdeckung der Langsamkeit war zentrales Anliegen von Gotscheffs Theaterarbeit. Das hat viele extrem ermüdet, aber manchen auch den Blick in eine andere Welt gestattet, eine Welt die sich solange Zeit lässt, bis sie lavaartig erstarrt und nur noch das Hören wirkmächtig macht, eine Welt, schwarz, tot, aber auf gewisse Weise unbeschreiblich schön und groß. Wie oft habe ich mir gewünscht, diese Konzentration zu erreichen, in so einer Welt zu leben.
Man will einfach so sein wie die Stars. Und wenn ich das nächste Mal durch die Straßen ziehe, kann ich sagen, so, jetzt haste wieder mal gegottschefft.

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