Freitag, Januar 10, 2014

Entfremdete Verfremdung?


Nach Brecht muss die Theateraufführung die Prozedur des Verfremdens durchlaufen. Sein episches Theater sollte die kritische Denkfähigkeit, den rationalen Verstand schärfen, um der (Bühnen-)Illusion zu entgehen. In Ablehnung der aristotelischen Katharsis geht es bei Brecht nicht um Einfühlung, Erleben oder um exakt so etwas wie Reinigung, sondern um die Ermächtigung des Zuschauers zu eigenständiger Ideologiekritik.
Brechts Theorie zur Verfremdung schließt allerdings so, wie sie ist, zu viel aus. Der Zuschauer ist auch empfänglich für subtilere Impulse. Am empfänglichsten ist er, wenn er, gut unterhalten, im dramatischen roten Faden und in der Liveness der Theateraufführung so weit versinken kann, dass er sich selbst, sein eigenes Leben, seine eigenen Probleme vergessen kann. Jetzt ist er offen für etwas Anderes. Zum Beispiel für das Problem der Demenz oder der Flüchtlingsthematik, die etwa auf der Bühne präsentiert werden. Solche Diskurse, mit unterhaltendem Erzähl/Showtheater verbunden, dringen viel tiefer in den Zuschauer ein, als es die reine Behauptung der Ratio könnte. Wenn wir jetzt jedoch die epischen Bühnenmittel der Verfremdung so geschickt nutzen, dass sie die karthatische Intensität der Aufführung unterstützen, dann erhalten wir ein synthetisches, brodelndes Substrat der eigentlichen Ideen, die dahinter und dazwischen die Szenerie beherrschen.
Die des Gefühls, der sinnlichen Erfahrung entfremdete Verfremdung, eingebunden in so etwas wie Theater als Ereignis und Geschichte, wird in entsprechender Synthesis ihre Erfüllung finden können.
Der frühe Brecht hat selbst durchaus so inszeniert.

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