Montag, November 18, 2013

Der Michel rennt aus der Hütte


Der Bedeutungskomplex der Reduktion, erlaubt, in Bezug auf die Bühne angewandt, größere Möglichkeiten der Darstellung:

Zum Beispiel eine Szene, die unerträgliche Spannung hervorruft durch extreme Reduktion der Zeichen und des Tempos: das ist so, als wenn Sie aus einem durchschnittlichen Wohnzimmer Fernseher, Laptop, Handy und Stereoanlage entfernen und dem jeweiligen Michel darin sagen, er möge nicht durchdrehen, sondern nur ruhig sitzen und an die Wand starren. Nach spätestens einer Stunde wird der aus der Hütte rennen.

Oder: Jede Darstellung, die aus Reduktion einen ästhetischen, intellektuellen  und atmosphärischen Mehrwert gewinnt, wie auch immer /nur mit den Augen reden/mit den Füßen greifen/nur mit dem Mund ausdrücken/mit Maske/reduzierte Sprache/reduzierte Musik, reduzierter Klang, Gang, Blick, Körper, Kopf, reduzierte Mimik, Moral, Wirklichkeit, etc.

Auch: Die Reduktion der Sinneswahrnehmung nimmt dem vom heutigen Leben extremstens sinnesgestressten Zuschauer mit in ein anderes Land. Es ist das Reich der Langsamkeit, des Schweigenden, des (fast) leeren Raums. Fragmente aus Sein, Schatten, Träume beleben dieses Land, hin zum Ausgangspunkt des noch nicht Denkenden, nur Wahrnehmenden. Im Idealfall schreitet der Zuschauer geistig durch eine Theaterwelt aus reduzierten Zeichen, die ihn gleichsam vom Wahrnehmungsmüll entrümpelt und ihm dafür etwas bietet, das er sonst nicht bekommt.
 
Bleibt nur die Frage, was man tun muss, damit der Zuschauer sich darauf einlässt. Und eben nicht schreiend rausrennt.
 
 

 

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